AWO ruft die Landesregierung zum gemeinsamen Handeln gegen den Fachkraftmangel in Kitas auf.
AWO Mittelrhein nimmt Ministerin Paul in die Pflicht.
Mit der Neubesetzung des Landesministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration durch Josefine Paul, erhofft sich die AWO im Bezirksverband Mittelrhein mehr Offenheit für neue Wege im Umgang mit dem drängenden Problem des Fachkraftmangels in Kindertageseinrichtungen.
In etwa 200 Kindertageseinrichtungen bietet die AWO am Mittelrhein ein vielfältiges Bildungs- und Betreuungsangebot für mehr als 10.000 Kinder. Doch der Blick nach vorne bereitet den Trägern, den Fachberatungen und den Fachkräften bei der AWO große Sorge. Denn der Fachkräftemangel bremst sowohl den dringend notwendigen Ausbau der Kindertagesbetreuung, wie auch die Qualität des Bildungsangebots aus. Während und durch die Pandemie hat sich die personelle Situation in den Kitas weiter verschärft.
Für Sabine Floßdorf, Referatsleiterin für Kindertageseinrichtungen im AWO Bezirksverband Mittelrhein, ist dies ein unhaltbarer Zustand. Sie sagt: „Die Beschäftigten in unseren Kindertageseinrichtungen sind am Anschlag. Dabei ist unser pädagogisches Personal in der Regel hoch motiviert und ist mit seiner Arbeit zufrieden.“ Studien belegen jedoch auch, dass viele Fachkräfte trotzdem über einen beruflichen Wechsel nachdenken. Als Gründe werden gesundheitliche Probleme und durch Personalausfall verursachter Stress angeführt.
Eine exemplarische Untersuchung der AWO am Mittelrhein zeigt, dass pro Kita-Team im Durchschnitt eine Vollzeitstelle fehlt. Dazu wurde in 100 Kitas über einen Zeitraum von 3 Monaten, der tatsächliche Personaleinsatz ermittelt.
Der Personalmangel und die andauernde Überlastung bringen die Beschäftigten in den Kitas an ihre Belastungsgrenze. Der Krankenstand war bereits vor der Pandemie hoch, die Lage hat sich durch die coronabedingte Mehrarbeit noch weiter verschärft.
In einigen Einrichtungen sind die zeitweise Schließung von Gruppen oder die Reduzierung von Öffnungs- und Betreuungszeiten nicht zu vermeiden.
Mit Werbekampagnen, attraktiven, tarifgebundenen Arbeitsbedingungen und einem breit aufgestellten Aus- und Weiterbildungsangebot wirbt die AWO um die wenigen Fachkräfte am Markt. Aktuell sind 79 Stellen für Einrichtungsleitungen, Fach- und Ergänzungskräfte unbesetzt und es ist absehbar, dass sich die Lage weiter verschärfen wird, denn der Ausbau der Kita-Plätze muss weitergehen. Gleichzeitig soll bis 2030 ein Rechtsanspruch auf Plätze im Offenen Ganztag umgesetzt werden, auch hierfür wird qualifiziertes Personal gebraucht. Ebenso erfordert die Teilhabe von Kindern mit einer (drohenden) Behinderung auf Grundlage des Bundesteilhabegesetzes zusätzliche personelle Ressourcen.
Dem wachsenden Bedarf steht der Verlust von Arbeitskräften durch den Renteneintritt der sogenannten Babyboomer entgegen. Der Fachkräfte-Radar für Kita und Grundschule 2021 prognostiziert für Nordrhein-Westfalen bis 2030 eine Fachkraftlücke von mehr als 10.000 Personen. Um diese Lücke zu schließen fordert die AWO am Mittelrhein eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Akteure.
Für die AWO gehören dazu die Erhöhung der Ausbildungs- und Weiterbildungskapazitäten und mehr Möglichkeiten des Quereinstiegs, beispielsweise durch berufsbegleitende (Teilzeit)Ausbildungen und die Verbesserung der Ausbildungsqualität und der Arbeitsbedingungen im Beruf. Der Personalschlüssel muss dringend angepasst werden. Zeit- und Personalressourcen für die direkte als auch mittelbare pädagogische Arbeit sowie Fehlzeiten (Urlaubs- und Krankheitstage, Fortbildungen) sollen dabei dringend mit berücksichtigt werden.
Ohne das gesetzlich verankerte Fachkräftegebot in Frage zu stellen, fordert die AWO am Mittelrhein den Einsatz von qualifizierten Ergänzungskräften anteilig in allen Gruppenformen zu ermöglichen und auf die personelle Mindestbesetzung anzurechnen.
„Was wir, die Träger, die Fachberatungen und Fachkräfte der AWO jetzt dringend brauchen“, konstatiert Sabine Floßdorf, „ist eine nach vorn gerichtete, transparente Kommunikation über die Auswirkungen des Fachkräftemangels. Die Eltern haben ein Recht darauf, über die Folgen des Fachkraftmangels informiert zu werden. Der Politik ist es bisher jedoch nicht gelungen, den Eltern die Dimension des fehlenden Personals sichtbar zu machen. Nach wie vor sehen Eltern die Verantwortung für Gruppenschließungen und Einschränkungen des Betreuungsangebots vornehmlich beim Träger. Dies hat negative Auswirkungen auf eine vertrauensvolle Erziehungspartnerschaft.“
Mit dem Ziel einer verlässlichen und guten Bildung der Kinder will die AWO am Mittelrhein alle Möglichkeiten nutzen, Kita-Schließungen und Einschränkungen im Betreuungsangebot zu vermeiden, mit neuen Wegen und innovativen, zukunftsfähigen Konzepten, die in Modellvorhaben erprobt und umgesetzt werden sollen. Dazu bietet sie der neu ins Amt gewählten Ministerin ihre Zusammenarbeit an.