Der Geschichte Ein Gesicht Geben – Und Namen

Anlässlich des 60. Jahrestags des Anwerbeabkommen von Arbeitskräften aus der Türkei nach Deutschland erlauben ehem. „Gastarbeiter“ in vier beeindruckenden Kurzfilmen einen Blick in ihr Leben mit einer deutschen und einer türkischen Heimat. Nuran Kançok berichtet über das Videoprojekt von In-Haus e.V. und der AWO Mittelrhein.

Nuran Kançok leitet das Interkulturelle Zentrum der AWO Mittelrhein in Köln-Ostheim, einer Anlaufstelle für Menschen aus vielen Nationen und jeden Alters. Die intensive Arbeit im Sozialraum und die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements von und mit Migrant*innen ist Schwerpunkt ihrer Arbeit.

Frau Kançok, wie kam es zu den Filmen?

Kançok: Die Idee entstand im AK der Interkulturellen Zentren in Köln, die Integrationsagenturen arbeiten sehr eng und gut zusammen. Es war uns wichtig einen Beitrag zur Erinnerung an das Anwerbeabkommen von Arbeitskräften aus der Türkei nach Deutschland zu leisten. Für uns lag es nahe, die Menschen ihre Geschichten selbst erzählen zu lassen. Gemeinsam mit dem Integrationshaus „In-Haus e.V.“ Köln-Kalk und deren technischen Möglichkeiten konnten wir so vier Filme verwirklichen.

Wie haben Sie die Protagonist*innen gefunden?

Kançok: Im Interkulturellen Zentrum der AWO Mittelrhein in der Rösrather Straße in Köln-Ostheim trifft sich auch regelmäßig der AWO Seniorenclub. Er wurde bereits 1992, damals in Köln-Kalk, gegründet. Die Männer aus der sog. ersten Gastarbeitergeneration leben seit über 50 Jahren in Köln, mit ihrem Renteneintritt war für sie klar: wir wollen nicht nur zu Hause oder im Männercafé untätig bleiben, sondern wir wollen etwas Sinnvolles tun. Sie schufen einen Ort der Begegnung, der Kommunikation und einen „Raum“ für neue Betätigungen. Schon damals thematisierten sie unter ihren Landsleuten die (unbeliebte) Frage, ob sie in Deutschland alt werden oder in die Türkei zurückkehren werden/wollen. Sie organisierten viele Veranstaltungen rund ums Alter noch zu einer Zeit, als der Rückkehrwunsch noch sehr stark war und dieses Thema von ihren Landsleuten eher verdrängt wurde.

Dieser Seniorenclub besteht nun seit 29 Jahren, er war und ist immer noch der Ausgangspunkt für die unterschiedlichsten Projekte, Freizeitangebote und von sozialem Engagement in den verschiedensten Bereichen. Die Protagonist*innen für die Filme habe ich in diesem AWO Seniorenclub gefunden.

Was hat die Menschen dazu bewegt an dem Videoprojekt mitzumachen?

Kançok: Es war und ist ihnen ein Anliegen, dass die Menschen ihre besondere Geschichte verstehen. Dazu ist es wichtig, sich an die Umstände zu erinnern unter denen die Männer und Frauen der sog. „ersten Gastarbeitergeneration“ in Deutschlang gelebt haben. Ihr Hauptaugenmerk lag auf der Arbeit, ihr Hauptproblem in der Sprache. Schichtdienste und Überstunden ließen wenige Möglichkeiten Deutsch zu lernen und sich zu integrieren. Den Menschen aus diesen Filmen ist es wichtig zu zeigen, dass es schwer war in einem fremden Land und einer fremden Kultur klarzukommen, wie schwer es war sich hier zurecht zu finden und wie sie es dennoch geschafft haben. Und dass sie sich mit den Jahren immer wohler gefühlt haben, so dass jetzt auch Deutschland ihre Heimat ist. Sie möchten, dass dieser Weg nicht vergessen wird.

Gibt es eine gemeinsame Aussage, die uns die Menschen aus den Videos mit auf den Weg geben wollen?

Kançok: Ja, trotz unterschiedlicher Lebensläufe gibt es die Kernaussage: „Wir wissen wie schwer es ist in einer fremden Kultur anzukommen, wie schwer es ist, sich nicht adäquat auszudrücken zu können. Aber wir haben die Hürden bewältigt, wir haben es geschafft, obwohl unsere Möglichkeiten damals sehr gering waren. Wir waren auf uns allein gestellt und mussten irgendwie zurechtkommen.“

Es ist eine Aufmunterung und auch eine Aufforderung der älteren Generation an alle jungen Menschen ihre Chancen und Möglichkeiten gut zu nutzen, aktiv politische Entscheidungsprozesse mitzugestalten und sich am kulturellen und gesellschaftlichen Leben zu beteiligen.

Kurzfilme

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