Die Integrationsagentur der AWO Mittelrhein schult Mitarbeitende und Zielgruppen

Gegen die digitale Spaltung der Gesellschaft

„Meine Tochter sitzt den ganzen Tag am Laptop, aber ich selbst konnte bis vor kurzem nicht einmal eine E-Mail schreiben“, erklärt Shadya, seit fünf Jahren in Deutschland und Mutter von zwei halbwüchsigen Töchtern. Die Vierzigjährige aus dem syrischen Aleppo ist kein Einzelfall: In vielen Familien sind die Kinder den Eltern in Sachen Digitalisierung weit voraus. Familien mit Flucht- bzw. Migrationsgeschichte erleben die „digitale Kluft der Generationen“ oft als besonders krass, weil ihnen das Geld für Geräte und Kurse fehlt.

Die Integrationsagentur der AWO Mittelrhein will nun in Köln mit einer neuen Initiative zu mehr digitaler Chancengerechtigkeit beitragen. Insgesamt 18 Frauen mit Migrations- bzw. Fluchtgeschichte – unter anderem Shadya - besuchen seit Anfang September 2021 Computerkurse und Schulungen für Anfänger*innen und Fortgeschrittene. Das wöchentliche Angebot ist Teil des auf ein Jahr angelegten Projektes „Digitale Teilhabe Jetzt“, das die Integrationsagentur der AWO Mittelrhein e.V. mit Unterstützung der Stiftung Wohlfahrtspflege durchführt. „Die digitale Kluft verstärkt die soziale Ungleichheit noch mehr“, sagt der Leiter des Fachdienstes Migration Integration Michael Sewenig. „Wenn wir mehr soziale Gerechtigkeit wollen, brauchen wir gleichberechtigtere Zugänge zu digitaler Kommunikation und digitalen Kompetenzen.“

„Digitale Teilhabe Jetzt“ arbeitet in zwei Richtungen: Zum einen wird die AWO Mittelrhein selbst gestärkt. So konnten dank der speziellen Förderung ein voll ausgestatteter Online-Seminarraum sowie ein Schulungsraum eingerichtet werden, in dem seit dem Sommer interne und externe Schulungen stattfinden. „Die plötzliche Umstellung auf Homeoffice während der Pandemie hat uns gezeigt, dass wir uns als Agentur für neue Herausforderungen fitmachen müssen, sowohl bei der Ausstattung als auch bei den Kompetenzen der Mitarbeitenden“, sagt Michael Sewenig. „Wir müssen sicherstellen, dass wir auf mögliche künftige Lockdowns so gut wie möglich vorbereitet sind“. Alle Mitarbeitenden der Integrationsagentur AWO Mittelrhein lernen jetzt im Rahmen von Gruppenschulungen und Einzelcoachings die Möglichkeiten gängiger Videokonferenztools kennen. „Außerdem machen wir Angebote zum Themenfeld Online-Moderation“, erklärt Projektkoordinatorin Martina Sabra. „Sowohl die Beratungsteams als auch die Kolleg*innen aus anderen Bereichen wollen fit sein für sogenanntes hybrides Arbeiten, also den Wechsel zwischen Homeoffice und regulärem Arbeitsplatz oder für die Durchführung von Veranstaltungen mit Teilnehmenden in Präsenz und online.“

Die externen Schulungen sollen vor allem jene Nutzer*innen stärken, die bislang wenig oder gar nicht mit Laptops gearbeitet haben. Dafür gibt es Schulungen für Multiplikator*innen sowie direkte Angebote für die Zielgruppen, also Menschen mit Flucht- bzw. Migrationsgeschichte. „Vor allem Frauen mit Kindern im Schulalter oder mit beruflichen Ambitionen zeigen großes Interesse“, beobachtet die Dozentin Eman Al Deraa. Die Kauffrau stammt aus Syrien und hat nach ihrer Ankunft in Deutschland in 2015 zunächst mehrere Deutschkurse, dann eine Umschulung zur Anwendungsentwicklerin und schließlich mit Erfolg die IHK-Prüfung als Fachinformatikerin absolviert. Für einige Teilnehmende ist sie nicht nur eine Quelle von Wissen und Können, sondern auch ein Vorbild. „So weit wie Eman bin ich noch lange nicht“, sagt Shadya. „Aber ich kann jetzt E-Mails schreiben und meine Dateien managen. Darauf bin ich stolz – mal schauen, was noch kommt!“

Bildnachweis (Foto / Flyer): Fotofreundin – stock.adobe.com

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