Bundeskanzler Olaf Scholz besucht das Marie-Juchacz-Zentrum der AWO Mittelrhein

Der AWO Präsident Michael Groß und der Präsidiumsvorsitzende der AWO Mittelrhein, Axel Heiner Dabitz, durften am Donnerstag Bundeskanzler Olaf Scholz im größten Seniorenzentrum des AWO Bezirksverbandes Mittelrhein, dem Marie-Juchacz-Zentrum begrüßen. Mit dabei auch die Pflegebevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland, Claudia Moll. Dem Bundeskanzler war bei seinem zweistündigen Rundgang der Austausch mit den Menschen wichtig. Er unterstrich bei seinem Besuch, dass Pflege auskömmlich und zukunftsfest finanziert und für die Menschen bezahlbar sein muss.

Die Pflege ist eine Zukunftsbranche, doch ihre Finanzierung ist mangelhaft. Die AWO fordert eine grundsätzliche Pflegereform. Diese darf, so Axel Heiner Dabitz, aber nicht nur die Gegenwart betrachten, sondern muss auf die Bedarfe der Zukunft ausgerichtet werden. Die AWO Mittelrhein hat dies nicht nur im Blick, sie setzt auf Innovation und arbeitet schon seit einigen Jahren mit neuen Konzepten.

Für die AWO ist digitale Teilhabe ein grundlegendes Recht.

Olaf Scholz nahm bei seinem Besuch im AWO Marie-Juchacz-Zentrum an einem regelmäßig stattfindenden digitalen Spielangebot teil und tauschte sich mit Bewohnerinnen und Bewohnern aus. Solche digitalen Angebote unterstützen vor allem die kommunikativen Fähigkeiten und tragen so erheblich zum Wohlbefinden der Bewohner*innen bei. Die AWO Mittelrhein hat die Chancen digitaler Angebote früh erkannt und setzt unterschiedliche Instrumente schon seit einigen Jahren in ihren Senioreneinrichtungen ein. Für die AWO ist digitale Teilhabe ein grundlegendes Recht. Solche Angebote müssen jedoch durch den Betreiber aus zusätzlichen Mitteln und Spendengeldern finanziert werden, hier z.B. durch den Förderverein und die Glücksspirale.

Steigende Eigenanteile

Für die Bewohnerinnen und Bewohner sind die steigenden Eigenanteile in der Pflege besorgniserregend und vielfach finanziell überfordernd. Hier fordert die AWO die kommende Bundesregierung auf, dringend eine Finanz- und Strukturreform der Pflegeversicherung anzugehen. „Pflegebedürftigkeit darf kein Armutsrisiko sein. Versicherungsfremde Leistungen müssen endlich aus Steuermitteln ausgeglichen werden und es braucht eine Pflegevollversicherung, an der sich alle beteiligen“, so der AWO-Präsident Michael Groß.

Skills-Lab – Hochtechnologie in der Pflege

Mit Stolz präsentierten zwei Auszubildende dem Kanzler das „Skills-Lab“. Eine Simulations- und Schulungsumgebung, in der mittels hochkomplexer Technik in Form einer wirklichkeitsnahen Puppe, Pflegekräfte angstfrei krankenpflegerische Tätigkeiten erlernen und üben können. Solche Ausbildungsmöglichkeiten finden sich sonst meist nur in Universitätskliniken.

Aktuell gibt es in Deutschland etwa 1,75 Millionen Pflegekräfte, die sich um über 5,6 Millionen Pflegebedürftige kümmern. Prognosen zufolge wird die Zahl der Pflegebedürftigen aufgrund der alternden Bevölkerung weiter steigen. Gleichzeitig wird die Generation der Babyboomer in den Ruhestand gehen, was zu einem weiteren Rückgang der verfügbaren Pflegekräfte führen wird. Es wird erwartet, dass bis zum Jahr 2035 etwa 300.000 Pflegekräfte fehlen werden. Dies könnte das Verhältnis von Pflegefachkräften zu Pflegebedürftigen weiter verschlechtern und den Druck auf das Pflegepersonal erheblich erhöhen.

Die AWO Mittelrhein hat mit dem Skills-Lab erheblich in die Ausbildung und Qualifizierung von Pflegekräften investiert. „Mit der Investition in diese innovative hochtechnisierte Simulationsumgebung zeigt die AWO Mittelrhein, welchen Stellenwert wir dem Pflegeberuf zuordnen“, so die Vorständin Sabine von Homeyer. „Es ist eine anspruchsvolle Tätigkeit mit komplexen Herausforderungen – schließlich geht es um die Lebensqualität und das Leben von Bewohner*innen – das erfordert lebenslanges Lernen.“ Mit dem Skills-Lab versucht die AWO Mittelrhein Pflegekräfte zu gewinnen und zu halten. Die Planung, Umsetzung und Finanzierung hochkomplexer Lösungen zur Fachkraftqualifizierung und –Gewinnung erfordert jedoch erhebliche Ressourcen, nicht nur in der Anschaffung sondern auch im laufenden Betrieb. Dies ist nur in einem größeren Verbund möglich, wie ihn die AWO Mittelrhein in ihrer Altenhilfegesellschaft GESA GmbH mit insgesamt 17 Einrichtungen hat. Es erfordert aber auch, so die Vorständin, die Unterstützung von Innovation in der Refinanzierungsstruktur der Pflege.

Nach einem Gespräch des Bundeskanzlers mit Mitarbeitenden des Marie-Juchacz-Zentrums auf Augenhöhe und ohne Teilnahme von Vorgesetzten und Presse, tauschte sich Olaf Scholz mit Ehrenamtlichen über die Quartiersarbeit des AWO Marie-Juchacz-Seniorenzentrums und Teilnehmenden des Demokratie-Projekts des AWO Bezirksverbands Mittelrhein e.V. aus.

Quartiers- und Demokratiearbeit fördern

Quartiers- und Demokratiearbeit sind für Senior*innen generell, aber vor allem in prekär strukturierten Quartieren wie in Köln-Chorweiler, von großer Bedeutung. Sie tragen zur Verbesserung der Lebensqualität und zur Förderung des sozialen Zusammenhalts bei. Vor allem werden Senior*innen dabei unterstützt, länger selbstständig zu leben. Dies ist von gesamtgesellschaftlich erheblicher Bedeutung, wenn Pflege für alle bezahlbar bleiben soll.

Die AWO Mittelrhein hält die vielfältige Arbeit im multikulturellen Köln-Chorweiler für unersetzbar, nicht nur wegen der Handwerks- und Kunstprojekte, sondern auch wegen der beratenden und unterstützenden Hilfen, die ohne das Engagement von Ehrenamtlichen nicht möglich wären.

Die AWO fordert die künftige Bundesregierung deshalb auf, Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliche Unterstützung vor Ort zu stärken. Dies umfasst soziale Dienstleistungen, die Senioren im Alltag unterstützen wie auch den Einsatz von technischen und digitalen Hilfsmitteln und Assistenzsystemen, damit auch Senior*innen mit geringen Einkommen lange sicher und selbstständig in ihrem Wohnumfeld Leben können.

Die AWO ist mit ihren Angeboten vor allem in den finanziell schlechter gestellten Vierteln zu finden. Dort wo viele Nationen miteinander klarkommen müssen und wo polarisierte Ideologien Nährboden finden.

Sabine von Homeyer appelliert eindringlich an die künftige Bundesregierung Projekte für Demokratiearbeit und für Quartiersarbeit weiter zu fördern. „Unsere Quartiersarbeit und unsere Demokratiearbeit für die Menschen, die bei uns leben und arbeiten, die unsere Einrichtungen besuchen, sei es als Ehrenamtliche oder Angehörige, stärken Partizipation und ermutigen die Menschen, sich aktiv an Entscheidungsprozessen zu beteiligen, sie stärken das Verständnis für demokratische Prozesse und für Bürgerrechte. Es ist ein fatales Zeichen, wenn gerade Demokratieförderung, dem Rotstift eines Sparhaushalts zum Opfer fällt.“

Investieren in die Zukunftsbranche „Mensch“

Abschließend wandte sich Axel Heiner Dabitz an Olaf Scholz „Herr Bundeskanzler, Ihr Rundgang durch unser Haus und die Begegnungen mit den Menschen hier haben Ihnen gezeigt, wie wichtig es ist, in die Zukunftsbranche „Mensch“ zu investieren, auch durch Hilfe bei ökologischen Bau- und Wirtschaftsmaßnahmen, bei Hilfen in der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitenden, Hilfen, die Digitalisierung zu stemmen und dabei noch Ressourcen für die Arbeit der Ehrenamtlichen bereit zu halten. Es war uns eine Ehre und eine Freude, dass wir Ihnen unsere Arbeit zeigen durften.“

(v.l.n.r.) Philip Esser (Einrichtungsleiter AWO Marie-Juchacz-Zentrum), Michael Mommer (Vorstandsvorsitzender AWO Bezirksverband Mittelrhein e.V.), Michael Groß (Präsidiumsvorsitzender AWO Bundesverband e.V.), Axel Heiner Dabitz (Präsidiumsvorsitzender AWO Bezirksverband Mittelrhein e.V.), Claudia Moll (Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung), Bundeskanzler Olaf Scholz und Sabine von Homeyer (Vorständin AWO Bezirksverbandes Mittelrhein e.V.)