Geht es im Ganztag in Zukunft nur noch um „sauber – satt und möglichst unverletzt“?

AWO Mittelrhein nimmt Stellung zu den OGs-Plänen der Landesregierung

Etwas mehr als 850 Tage sind es noch, bis zum Schuljahr 2026/2027 ein allgemeiner Rechtsanspruch auf einen Ganztags-Platz in Deutschland beginnt. Die Länder sind angehalten, die Einzelheiten dazu zu regeln. Die NRW-Landesregierung hatte das in ihrem Koalitionsvertrag auch angekündigt.

Nun legt die Landesregierung nach einem langen Dialogprozess mit Wohlfahrtsverbänden, Vertretern von verschiedenen Akteuren im Ganztag sowie einem Expert*innenrat Anfang März sogenannte „fachliche Grundlagen für den Offenen Ganztag“ vor. Geschockt reagiert der AWO Bezirksverband Mittelrhein auf die dort genannten Punkte. Oder vielmehr auf das, was nicht genannt wird: personelle, räumliche oder pädagogische Standards fehlen. Das Bild, dass sich in Zukunft abzeichnen könnte, wäre desaströs. Im Extremfall könnten 40-60 Kinder von einer ungelernten Person in Räumen betreut werden, die zu klein, zu dunkel und nicht kindgerecht sind. Provokativ gesagt geht es dann nur noch darum‚ die Kinder sauber – satt und möglichst unverletzt durch den Tag zu bringen.

Die Mitarbeitenden des Offenen Ganztags leisten jetzt schon unglaublich viel, um in zu großen Gruppen, unter Personalmangel und mit finanziellen Schwierigkeiten den Kindern gerecht zu werden. Für ihren Auftrag die Kinder zu fördern, sie in ihren Bedürfnissen zu sehen und in ihren Entwicklungen zu begleiten gehen die Mitarbeitenden schon jetzt teilweise weit über ihre Grenzen hinaus. Wenn sich die Bedingungen nicht verbessern und es nur noch darum geht, die Betreuung irgendwie aufrecht zu erhalten, sind nicht nur die Kräfte sondern auch der Bildungsauftrag am Ende.

In Zeiten, in denen die Bildungsstudien viele Lücken aufzeigen, die Gesellschaft in ihren demokratischen Grundfesten angegriffen wird und Kinderarmut weit verbreitet ist, kann unter desaströsen Bedingungen keine qualitativ hochwertige Arbeit geleistet werden. Kindern ein Mittagessen und Angebote der Freizeitaktivitäten zu bieten, sie individuell zu stärken, im ganzheitlichen Lernen zu unterstützen und in allen Kompetenzen zu fördern muss einen höheren Stellenwert erhalten. Durch gelebte Partizipation im sozialen Miteinander, wie sie im Offenen Ganztag Alltag ist, wird die Basis von Demokratie kennen gelernt und ein Leben in Gemeinschaft nachhaltig geprägt. Doch für diese Aufgaben benötigen die Mitarbeitenden Zeit, sowie räumliche und finanzielle Mittel und die Möglichkeit die Kinder nicht nur zu beaufsichtigen, sondern mit ihnen zu arbeiten.

Ändern sich die Bedingungen im Offenen Ganztag nicht, droht, dass Standorte geschlossen werden müssen oder Randzeiten nicht mehr betreut werden können. Wenn Eltern in Zukunft schon um 14 Uhr ihre Kinder von der OGS abholen müssen sind Manche gezwungen ihre Erwerbstätigkeit drastisch zu reduzieren. Neben erheblichen persönlichen und finanziellen Einschnitten würde dies den überall herrschenden Fachkräftemangel noch mehr verstärken.

Der Offene Ganztag darf nicht nur Verwahrung der Kinder sein. Die AWO Mittelrhein fordert die Landesregierung auf, dringend ein Ausführungsgesetz zu verabschieden, das Standards für den Offenen Ganztag festlegt. Nur so kann der Offene Ganztag als ganztägiges Bildungsangebot qualitativ gut umgesetzt werden. „Es darf keine Glücksache sein, in welcher Kommune ein Kind aufwächst!“ so Michael Mommer, Vorstand der AWO Mittelrhein. „Die Finanzierung muss den Standards und einer guten Umsetzung gerecht werden!“ Für die Gewinnung von Fachkräften muss umgehend in die Ausbildung investiert werden.

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