Rückgang der Arbeitslosigkeit: Statistik zeichnet ein geschöntes Bild

Arbeitslosenreport NRW: Ausstieg aus der Arbeitslosigkeit?!

Über 26.347 Personen ist in der Region der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Mittelrhein im Juni der Ausstieg aus der Arbeitslosigkeit gelungen – so zeigt es die offizielle Statistik der Bundesagentur für Arbeit. Doch nur durchschnittlich 37,9 Prozent dieser Arbeitslosen haben tatsächlich eine bezahlte Beschäftigung aufgenommen – denn 62,1 Prozent fallen aus anderen Gründen aus der Statistik heraus. Sie zählen nicht mehr als arbeitslos, weil sie beispielsweise arbeitsunfähig, aufgrund von Krankheit, Erziehungs- oder Pflegezeiten für das Arbeitsamt vorübergehend nicht verfügbar oder gerade in einer geförderten Maßnahme sind. Dezidiert untersucht der neue Arbeitslosenreport der Wohlfahrtsverbände in NRW die Statistik über den Ausstieg aus der Arbeitslosigkeit.

„Diese Statistik beschönigt die Arbeitslosigkeit und geht an der Lebensrealität der betroffenen Menschen vorbei“ kritisiert der Vorsitzende des AWO Bezirksverbands Mittelrhein, Michael Mommer bei der Veröffentlichung des neuen Arbeitslosenreports der Wohlfahrtsverbände. 211.919 Menschen waren laut Arbeitslosenreport im Juni im Gebiet der AWO Mittelrhein unterbeschäftigt. „Diese Zahl der Unterbeschäftigten ist die genauere Arbeitslosenzahl, weil in ihr auch alle Personen mitgezählt werden, die faktisch arbeitslos sind, aber in der offiziellen Statistik nicht auftauchen“, bekräftigt er.

Der langsame Rückgang der Arbeitslosenzahlen sei zwar zu begrüßen, doch die Gesamtzahl der als arbeitslos erfassten Menschen, die nicht wieder in die Erwerbsarbeit zurückkehren, sei aktuell definitiv zu hoch. Die Wohlfahrtsverbände fordern deshalb verstärkte Anstrengungen von Unternehmen und der öffentlichen Hand, um Arbeitsplätze zu schaffen und Arbeitsprozesse so zu gestalten, dass Viele teilhaben können.

Männern und jungen Menschen unter 25 Jahren gelingt es deutlich besser, aus der Arbeitslosigkeit heraus in Erwerbsarbeit zu kommen als Langzeitarbeitslosen, Schwerbehinderten, älteren Menschen, Alleinerziehenden und Frauen – das belegt der Arbeitslosenreport bei der differenzierten Auswertung der Statistik.

Menschen, die noch nicht lange arbeitslos sind, gelten bis zu 12 Monate als arbeitsmarktnah. Viele beziehen Leistungen nach dem SGB III. Ihnen gelingt es laut Statistik deutlich häufiger, aus der Arbeitslosigkeit wieder in die Erwerbstätigkeit zu gelangen, als Langzeitarbeitslosen und anderen, die Leistungen nach dem SGB II beziehen.

Für Michael Mommer belegt der Arbeitslosenreport einmal mehr, dass die Wiederaufnahme einer Erwerbsarbeit nach Arbeitslosigkeit vor allem Menschen gelingt, die in der Regel noch nicht lange arbeitslos sind. Für einkommensarme und langzeitarbeitslose Menschen ist es viel schwerer, die Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu beenden. Die Freie Wohlfahrtspflege fordert deshalb den deutlichen Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung. Sie ist für viele dieser Personen die einzig realistische Chance zur Teilhabe am Arbeitsmarkt.

Dies gilt, so Mommer, auch für manche älteren Menschen und Personen in besonderen sozialen Schwierigkeiten wie Wohnungslose und Suchtkranke. Für sie braucht es zusätzliche Förderinstrumente, die eine Weiterbeschäftigung mit Lohnkostenzuschuss und Arbeitsvertrag notfalls bis zur Rente möglich machen.

Hintergrund: Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich den „Arbeitslosenreport NRW“. Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Der Arbeitslosenreport NRW sowie übersichtliche Datenblätter mit regionalen Zahlen können im Internet unter arbeitslosenreport-nrw.de heruntergeladen werden. Der Arbeitslosenreport NRW ist ein Kooperationsprojekt der Freien Wohlfahrtspflege NRW mit dem Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen.

In der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW haben sich 16 Spitzenverbände in sechs Verbandsgruppen zusammengeschlossen. Mit ihren Einrichtungen und Diensten bieten sie eine flächendeckende Infrastruktur der Unterstützung für alle, vor allem aber für benachteiligte und hilfebedürftige Menschen an. Ziel der Arbeit der Freien Wohlfahrtspflege NRW ist die Weiterentwicklung der sozialen Arbeit in Nordrhein-Westfalen und die Sicherung bestehender Angebote. Die Freie Wohlfahrtspflege NRW weist auf soziale Missstände hin, initiiert neue soziale Dienste und wirkt an der Sozialgesetzgebung mit.

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